Wasser ist Leben. Bewegung ist Leben.
Dann müssen doch Fotos von bewegtem Wasser sehr lebendig sein!

Ich habe das Glück in einem Ort zu wohnen, durch den zwei sehr unterschiedliche Flüsse fließen, die Loisach und die Isar, dazu kommt noch der Loisach-Isar-Kanal. Es gibt also viele Gelegenheiten, Wasser zu beobachten und sich zu wundern, wie unterschiedlich Wasser sich darstellt, wie vielfältig es sich unserem Auge zeigt. 
Seit ca. 25 Jahren versuche ich, diese Wandlungs-fähigkeit des Wassers fotografisch festzuhalten. Dabei hat sich das chinesische Sprichwort "Du kannst nicht zwei Mal in den selben Fluss steigen" immer wieder bewahrheitet: Von der Wasseroberfläche kann man keine zwei gleichen Bilder machen (siehe z.B. die beiden kleinen Projekte "Die Farben der Isar" und "59 Sekunden").
Jede visuelle Wahrnehmung erfolgt durch Reflexion des Lichtes vom Objekt der Betrachtung. Was wir als Realität wahrnehmen, ist tatsächlich immer eine Spiegelung. Dabei muss diese Wahrnehmung nicht zwangsweise der Realität entsprechen, sie kann durchaus täuschen (z.B. die Fata Morgana, das Flimmern über heißem Asphalt). Ähnliche Täuschungen gibt es natürlich auch bei meinen Aquarellfotos (etwa eine zwischen den Ästen eines Baumes schwimmende Ente). Trotzdem sind die Bilder aber grundsätzlich wahr. Mir erscheinen die Wasserspiegelungen sogar häufig als eine Art besonders intensiver Realität: Die Farben im Wasser sind oft kräftiger als die bei unmittelbarer Betrachtung, die Konturen viel lebendiger und der durch die Reflexion auf dem Wasser geänderte Betrachtungswinkel bietet häufig Überraschendes, das zum Nachdenken, manchmal auch zum Schmunzeln anregt. Reflexionen über Sein und Schein sind naheliegend und der fortwährende Wandel der von der Wasseroberfläche reflektierten Bilder ist in seiner Geschwindigkeit ein geradezu übersteigertes Abbild der Quirligkeit unseres Lebens - nichts ist starr oder berechenbar, sondern voller überraschenden Änderungen und Wendungen, Vergehen und Entstehen. 
Für Bewegungen bieten sich grundsätzlich auch die Medien Film bzw. Video an. Darauf verzichte ich bewusst, ich will den ganz kurzen Augenblick festhalten um ihn genau betrachten zu können: Ab etwa 24 Bildern pro Sekunde beginnt das Gehirn, Bildabfolgen als flüssige Bewegung zu interpretieren. Die Konsequenz daraus ist, dass ich bei der Betrachtung meiner Fotos oft staune, was ich da fotografiert habe! Die Strukturen, Muster, Zeichnungen auf der Wasseroberfläche "verschwimmen" bei der realen, visuellen Beobachtungen zu einem "Film" und zeigen sich immer wieder erst im Stillbild, in der Fotografie.
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Um Missverständnissen vorzubeugen: Diese Fotos sind keine Montagen oder Manipulationen in Photoshop etc. Es handelt sich auch nicht um Doppel- oder Mehrfachbelichtungen.